Seit Anfang des Jahres ist das neue BAP Album "Lebenslänglich" erhältlich, am Donnerstag ist für mich das Konzert in Saarbrücken. Daher habe ich das Album jetzt nochmals zur Vorbereitung gehört. Seit Anfang 1999 höre ich BAP, mit "Comics & Pin-Ups" und "Tonfilm" ging es los. Mein erstes Konzert 2000 und dann 2001 mit "Aff un zo". "Sonx" hatte ich am Rande miterlebt, wobei ich mittlerweile das Album sehr schätze, aber das war als ich Bruce nach dem 2003er Konzert für mich entdeckte. "Radio Pandora" halte ich mit für ein großes Album und das Konzert in Saarbrücken mit vielen neuen Songs und einigen Überraschungen halte ich sehr guter Erinnerung, nicht zuletzt der Aufnahme auf USB Stick die offiziell von jeder Show angefertigt wurde. "Halv su wild" fand ich dann nicht so dolle. Es kam mir zu verkrampft vor. Die Leichtigkeit der Vorgängeralben war weg. Es wundert mich auch nicht das die Besetzung sich zur 2014er Tour änderte. Niedecken hatte sein "Zosamme alt" Album veröffentlicht, aber als BAP getourt. Das Konzert war musikalisch mein Highlight der Band. Das Album sehe ich eher als Projekt, Live kamen die Songs viel besser und auch der gesamte Spannungsbogen des Abends (mit "Sendeschluss" als Ausklang, ein ganz großer Moment!) war richtig klasse.
Und jetzt kommt das neue Album, in der Euphorie des 2014er Konzertes hatte ich Angst das es wieder so wird wie bei "Halv su wild" und zum Glück kam es nicht so. Niedecken ist 65. Und man darf eins nicht vergessen, Niedecken war immer der Texter, die Musik kam oft von anderen in der Band ... Und so ist die musikalische Ausrichtung immer ein Spiegel der jeweiligen Besetzung. Ich bin sowieso eher ein Fan dieser Songs wie "Amerika", "Alles em Lot", "Sendeschluss", die Songs mit tollem Text die sich so reinbohren ins Gehirn und einem zum nachdenken anregen ... Das konnte Niedecken in den letzten Jahren sehr gut, mit Krumminga hatte er dann auch noch jemand der rockige Musik mit einbrachte (ohne sagen zu wollen das die anderen das nicht auch konnten), aber irgendwie kam es mir vor als sei die Besetzung nach 2008 über ihren Zenith geschritten. Schon um 2008 hatte der marokkanische Percussionist Rhani Krija seine Klangfarben eingebracht. Und auch auf der 2014er Tour ging man zum Teil in die Richtung, und genau diese Dinge, plus die entspannte Musik, ergeben für mich eines der besten Alben die BAP je rausgebracht hat. Ruhig und ruhig sind zwei paar Schuhe: Im Gegensatz zum "Zosamme alt" Album, wo die Songs nicht einfach nur ruhig gespielt werden, entstehen hier bei jedem Song zusätzlich zu jedem Song Klanglandschaften in die ich mich absolut hineinfallen lassen kann. Schon beim ersten Hören wusste ich das dies eher mein Album wird als "Half su wild"... mit mehreren Durchläufen hat sich das auch bestätigt.
Mit dem Rheinrauschen fängt "Alles relativ" an der sich mit jeder Strophe steigert und sich, wie oben erwähnt, immer mehr in den Kopf bohrt. Zum vierzigsten Bandjubiläum ein reflektiver Song, man könnte meinen die Platte ist nostalgisch, zum Teil stimmt das auch, sie ist textlich absolut hochaktuell. Bei "Half su wild" hatte ich das vermisst, das war ja zum 35. (und wenn sie diese Zeiten zwischen den Alben beibehalten wird jedes neue Album zu einem "runden" Jahr rauskommen).
"Absurdistan" beschreibt treffsicher die heutige Zeit, und ist nach der Wahl in den USA wohl noch treffender.
"Dä Herrjott meint et joot met mir" ist dann einer der wenigen "rockigen" Titel, und lockert die Stimmung auf, für mich sind diese schnellen/lockeren Songs aber garnicht so die Highlights, aber sie sind für den Spannungsbogen sehr gut platziert. Das Niedecken den Text schrieb nachdem er Gast bei einem Clueso Auftritt war passt daher.
"Die Ballade vom Vollkasko-Desperado" ist wohl der Song den Wolfgang schrieb als seine Schreibblockade endlich weg war. Erinnert an die frühen satirischen Songs und ist leider auch viel zu wahr. Selfie-Wahn mit Stars, weniger Geschichten austauschen sind auch ein Grund warum ich Autogrammstunden nicht mehr so toll finde. So schön ein Selfie mit seinem Idol ist, aber es ist doch viel schöner sich kurz auszutauschen, wie Niedecken im Begleittext auch schreibt.
"Miehstens unzertrennlich" ist der ruhigste Song, an seine Jugendliebe gerichtet der wir "Helfe kann Dir keiner", "Jraaduss" und "Anna" zu verdanken haben.
Mit "Et ess lang her" folgt dann noch ein Rückblick und zwar ins Jahr 1981 zum Rosenmontag als Niedecken "Verdamp lang her" schrieb, es ist quasi die "Auflösung" des großen Hits.
"Dausende vun Liebesleeder" ist eine schwungvolle Liebeserklärung an die Stadt Köln, zum Glück nicht so platt wie manche Songs auf "Half su wild", da kam es mir vor das Wolfgang fast ein Jeck geworden ist, "Nit für Kooche" wohl Vergangenheit? Naja, zum Glück ist der offensichtlichste Karnevalsbezug eher das Saxophonist Jens Streifling zu den Höhnern gegangen ist. 2011 hatte ich zwar nicht die Angst das BAP das gleiche "Schicksal" droht wie den "Brings" mit "Superjeilezick", aber es war so eine Art "das nächste Album wird hoffentlich anders werden", was zum Glück so kam.
"Auszeit" ist selbsterklärend und musikalisch passend umgesetzt. Eine "Auszeit" vor dem Highlight.
"Vision vun Europa" ist musikalisch dann ganz groß. Wer denkt das Wolfgang den Text vor kurzem zum Thema Flüchtlinge schrieb, der irrt, der Text ist fast 10 Jahre alt und jetzt kam die passende Musik. "Noh Gulu" (so sehr ich Wolfangs Aktivität in der Richtung schätze) fand ich eher zu platt ... Hier wurde das ganze viel besser musikalisch umgesetzt, inklusive afrikanischem Chor. Ganz großes Kino!
"Zeitverschwendung" ist nochmal ein Liebeslied an seine Frau, nach dem "Overkill" zuvor wieder etwas zum runterkommen.
"Schrääsch hinger mir" wird dem Schlagzeuger Jürgen Zöller gewidmet welcher nach der 2014er Tour ausstieg, was ich schade finde, aber Respekt für seine Entscheidung habe, nach so vielen Jahren auf Tour zu sagen zu wissen wann Schluss mit großen langen Tourneen ist. (Er ist mit seiner eigenen Band immer noch aktiv, aber eben nicht mehr im "großen Zirkus"). Schon 1999 sah ich Jürgen Zöller auf einem Schlagzeugfestival mit Bassisten Werner Kopal und Gitarrist Helmut Krumminga, als dieser noch garnicht bei BAP spielte. Sie spielten eigene Songs welche schön rockig in die Magengrube gingen. Er wird mir bei BAP sehr fehlen, aber der neue Schlagzeuger, Sönke Reich, macht seine Sache sehr gut.
"Sankt Florian" ist wieder ein Stimmungsauflockerer. Eine Ansammlung an Weisheiten aus der Bibel, erinnert an bisschen an "Aff un zo", wenngleich letzteres schon fast "Mallorca Feeling" hat.
"Komisch" ist eine gelungene Übersetzung von Dylan's "Simple Twist Of Fate", von einem meiner Lieblingsalben von Bob, "Blood On The Tracks". Musikalisch web vom Original, aber textlich trotzdem super übersetzt, Dylan Songs auf BAP Alben sind nicht neu, und auch in der "Leopardefellband" ging es ja komplett um Bob Dylan. Was mir hier aber sehr zusagt ist die Veränderung zum Original, "Wie 'ne Stein" fand ich zB nicht so überzeugend, nette Rockversion, aber man erfährt nichts neues über den Song, das finde ich hier anders.
Mit "Unendlichkeit" endet das Album passend nach einer Stunde, inklusive der "Auflösung" des Albumtitels, welcher im Text dieses Songs versteckt ist. So klingt das Album so aus wie es begann, in sich ruhend.
Mehr muss ich wohl nicht sagen, ich bin sehr erleichtert das es den Weg von "Half su wild" weiterging. Ein absolut vitales Album zum 40-Jährigen, wer den ROCK erwartet der wird enttäuscht sein. Wer sich aber auch mit Mark Knopflers Soloalben oder eben Bob Dylan oder Leonard Cohen (Wolfgangs Helden) etwas anfangen kann, dem kann auch dieses Album zusagen. Die Rolling Stone Einflüsse sind in diesem Album eher gering, hier kommt eher Niedeckens "Singer/Songwriter" Seite zum Einfluss was die Texte angeht, und musikalisch ist es wie gesagt oft auch abhängig wer in der Band ist. Und mit dieser Besetzung ist BAP gut gerüstet für die Tour, welche ja schon seit Anfang des Jahres durch die deutschen Arenen unterwegs ist.
Im Moment sind es noch 6 Songs des Album welche im Set enthalten sind. Es dürften meiner Meinung nach gerne mehr sein, aber meine Favoriten (Alles relativ, Die Ballade vom Vollkasko-Deperado und Vision von Europa) sind alle dabei. Ich freue mich aufs Konzert.
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