Bruce Springsteen Forum

Das Forum von stonepony.de und the-wish.org ( !!! Jubel, Trubel, Heiterkeit !!! )
Aktuelle Zeit: 28.04.2024 12:05

Alle Zeiten sind UTC + 1 Stunde [ Sommerzeit ]




Ein neues Thema erstellen Auf das Thema antworten  [ 407 Beiträge ]  Gehe zu Seite Vorherige  1, 2, 3, 4, 5, 6, 7 ... 28  Nächste
Autor Nachricht
BeitragVerfasst: 27.09.2008 22:41 
Full Member
Full Member
Benutzeravatar

Registriert: 06.05.2003 20:41
Beiträge: 433
Eine Rettung durch ein britisches Militärschiff als Rechtfertigung des britischen Kolonialismus zu rechtfertigen entbehrt doch jeder Grundlage und jeder vernünftigen Argumentation. Außerdem wurde das Buch 1953 geschrieben, zu einem Zeitpunkt zu welchem das British Empire schon seit ca. 6 Jahren Geschichte war, nämlich seit der Unabhängigkeit von Indien. Seit ungefähr 1930 gab es schon den Commonwealth.

Ein Buch, welches über die Grundlagen der Demokratie und über die menschliche Natur lehrt in Zusammenhang mit einer Lobpreisung des britischen Kolonialismus zu sehen zeugt wohl vielmehr von Unwissenheit und oberflächlichen Kenntnissen, als von schlüssiger Argumentation.


Nach oben
 Profil  
Mit Zitat antworten  
BeitragVerfasst: 28.09.2008 12:01 
Administrator
Administrator
Benutzeravatar

Registriert: 09.08.2002 12:53
Beiträge: 11376
Wohnort: Uffbasse-City
Nochmal: was hat die Rettung durch ein britisches Militärschiff mit Demokratie zu tun? Haben sie über irgendwas abgestimmt? Fand eine offene Diskussion dazu statt? Nein, die Briten tauchen als deus ex machina auf und allein ihre übergeordnet Autorität lässt die Kinder sofort sich wieder "zivilisiert" verhalten. Das ist 1:1 die Idealvorstellung, die die Briten von ihrem Kolonialismus hatten.

Es findet nicht ein demokratischer Prozess statt zwischen dem Moment, da sie sich gegenseitig umbringen wollen und dem Moment auf dem Schiff, wo sie plötzlich einsichtig sind. Was soll das über Demokratie lehren? Dass sie nur mit Militärgewalt durchsetzbar ist? Es ist ja im Gegenteil sogar so, dass die Demokratie in dem Buch scheitert, Ralph wird zum Anführer gewählt, versucht eine Art parlementarisches Thing einzuführen, in der jeder seine Meinung sagen darf und was passiert? Im Laufe der Zeit verfällt sein System. Es kann sich allein nicht durchsetzen. Dazu braucht es erst die übergeordnete Instanz von Außen in Gestalt eines britisches Militärschiffes (wobei es im Kern natürlich auch kein demokratisches System ist, was Ralph einführt, lediglich eine Art parlamentarisches System, das nicht notwendigerweise demokratisch sein muss und durch Ralphs hervorgehobene Stellung, der an mindenstens einer Stelle auf besondere Rechte seinerseits besteht, auch nicht ist, das ganze ist eher eine parlamentarische Wahlmonarchie als eine Demokratie im strengen Sinne - aber darum geht's mir eigentlich nicht, sondern bloß um diese grausig schlecht geschriebenen letzten drei Seiten).

Dass Ralph scheitert, kann man zudem als Allegorie auf den Verlust der Kolonialreiche sehen, die danach politisch eher instabil wurden. Ralph ist der Gouverneur, dem die ihm unterstellte Kolonie langsam aus den Händen gleitet. Golding erklärt damit das Scheitern des Kolonialismus und rechtfertigt ihn gleichzeitig.


Nach oben
 Profil  
Mit Zitat antworten  
BeitragVerfasst: 28.09.2008 18:17 
Full Member
Full Member
Benutzeravatar

Registriert: 06.05.2003 20:41
Beiträge: 433
Also Ralph will eine Demokratie aufbauen bzw. ein System, wo jeder eine gewisse Partizipationsmöglichkeit bekommt. Die Muschel ist sicherlich ein Symbol für Ordnung und Demokratie.
Interessant ist ja die Darstellung der Natur in Lord of The Flies. Sie wird ja keinesfalls als paradisisch dargstellt sondern als wild, gefährlich und bedrohlich. Und der Mensch als ein Teil der Natur wird von Golding ähnlich beschrieben. Golding greift also die Uralte Idee von Hobbes auf: Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf.
Um also das Überleben der Gruppe zu sichern wird ein Staatssystem geschaffen (von Ralph). Jack ist der faschistische Gegenpart. Es ist ja sicherlich kein Zufall, dass Jack eine Kriegbemalung mit den Farben Rot, weiß und schwarz wählt (den Farben der Reichsflagge). Das interessante ist doch nun, warum die Demokratie sich nicht durchsetzt sondern Jack immer mehr Zuläufer hat. Und dies liegt eben daran, dass es Ralph nicht gelingt die anderen Kinder von den Vorteilen des demokratischen Prozesses zu überzeugen. Auffallend ist, dass Ralph Regeln (die durchaus nützlich und wichtig sind) kaum begründet. Er stellt diese auf und wenn Fragen der anderen Kinder kamen, warum sie sich gemäß der Regeln verhalten sollen, lautete die Antwort von Ralph: "Weil ich es so will". Jack hingegen stellt keine Regeln auf. Bei ihm geht es darum zu tun, was Spaß macht. Außerdem schafft er mit Ralph und Piggy ein Feindbild (ähnlich wie im 3. Reich die Juden, Demokraten...), welches die Gruppe um Jack zusammenhält und seine Stellung in gewisser Weise rechtfertigt. Mit dem Lord of The FLies schafft Jack schließlich ein Götzenbild, welches der Gruppe ein Symbol schafft (evtl. eine Analogie zum Hakenkreuz). Schließlich gelingt es es Ralph nicht, die anderen Kinder vom demokratischen System zu überzeugen (aufgrund den oben genannten Gründe) und Jacks Gruppe übernimmt die Macht.

Damit zeigt das Buch, dass Faschismus und Hass entsteht, wenn es uns nicht gelingt anderen die Werte der Demokratie näher zu bringen, zu erläutern, warum Regeln, warum Einschränkungen notwendig sind.

Am Schluss des Buches bringt der Officer die Kindern zurück in die zivilisierte Welt, die er symbolisiert. Er zeigt aber auch, dass Zivilisation nicht immer Gewaltlosigkeit und social freedom heißt, da er ein Maschinengewehr und eine Uniform trägt. Wie Ralph jedoch bewiesen hat, reicht es nicht aus Sanktionen zu verhängen, Verbote aufzustellen, d.h. eine Art Gewaltmonopol zu schaffen, wenn dieses nicht anerkannt ist, wenn die Personen nicht einsehen, warum dieses wichtig ist. Und das ist eben unsere Aufgabe: Durch Bildung Demorkatieakzeptanz zu schaffen und somit dieses System aufrecht zu erhalten.


Nach oben
 Profil  
Mit Zitat antworten  
BeitragVerfasst: 28.09.2008 19:25 
Administrator
Administrator
Benutzeravatar

Registriert: 09.08.2002 12:53
Beiträge: 11376
Wohnort: Uffbasse-City
Mr_Highriser hat geschrieben:
Also Ralph will eine Demokratie aufbauen bzw. ein System, wo jeder eine gewisse Partizipationsmöglichkeit bekommt. Die Muschel ist sicherlich ein Symbol für Ordnung und Demokratie.


Oder ein Machtinsignium, wie ein Zepter.

Zitat:
Sie wird ja keinesfalls als paradisisch dargstellt sondern als wild, gefährlich und bedrohlich.


Ja, ähnlich wild, gefährlich und bedrohlich wie in Joseph Conrads Herz der Finsternis, was zeigt, dass das die Ansicht eines Briten über die Kolonialreiche war, eine gefährliche Wildnis. Den Herrn der Fliegen als Gegenentwurf bzw. "Entmythifizierung" zu den paradiesischen Südseebeschreibungen zu verstehen, halte ich für kaum haltbar.

Zitat:
Um also das Überleben der Gruppe zu sichern wird ein Staatssystem geschaffen (von Ralph). Jack ist der faschistische Gegenpart. Es ist ja sicherlich kein Zufall, dass Jack eine Kriegbemalung mit den Farben Rot, weiß und schwarz wählt (den Farben der Reichsflagge).


Und auch die Farben der Revolutionsfahne von 1952 (also kurz vor Erscheinen des Herrn der Fliegen) des ehemaligen britischen Protektorats Ägypten.

Zitat:
Er stellt diese auf und wenn Fragen der anderen Kinder kamen, warum sie sich gemäß der Regeln verhalten sollen, lautete die Antwort von Ralph: "Weil ich es so will".


Einer der Gründe, weshalb ich der Meinung bin, dass Ralph überhaupt kein demokratisches System einführt. Er lässt sich ganz am Anfang wählen, das ist der einzige demokratische Prozess im ganzen Roman, aber da er da schon die Muschel in der Hand hat, ist das eher ne sehr fragwürdige Wahl. Und die Wahl eines Anführers allein macht auch noch lange keine Demokratie, Stammeshäuptlinge wurden oft gewählt, Piraten wählten ihren Kapitän, eine Demokratie ist beides trotzdem nicht, bei kleinen Gruppen ohne traditionelle Machtansprüche ist eine Wahl eher ein ganz natürlicher Vorgang (oder um deutlich zu machen wie ungenau Golding da konstruiert: ein "wilder" Vorgang, der keiner Ordnung bedarf und somit unzivilisiert ist).

Ralph lässt sich nicht nur wählen, er gibt sich selbst auch eine herausragende Position und Rechte, er hat mehr Rechte als der Rest, was mit einer Demokratie unvereinbar ist, er ist gewählt und somit vom "Volk" legitimiert, aber es ist keine "Volksherrschaft". Auch da erzeugt Golding eher das Bild einer parlamentarischen Monarchie, also das britische System, das für ihn mit "der Zivilisation" gleichzusetzen ist.

Zitat:
Mit dem Lord of The FLies schafft Jack schließlich ein Götzenbild, welches der Gruppe ein Symbol schafft (evtl. eine Analogie zum Hakenkreuz).


Auf keinen Fall!

Zitat:
Damit zeigt das Buch, dass Faschismus und Hass entsteht, wenn es uns nicht gelingt anderen die Werte der Demokratie näher zu bringen, zu erläutern, warum Regeln, warum Einschränkungen notwendig sind.


Nicht Demokratie! Zivilisation! Und das ist genau mein Punkt, denn das war ein typisches Erklärungsmodell für das Scheitern des britischen Kolonialismus: wir haben die Vorteile unserer Idee nur nicht ordentlich rübergebracht. Das System selbst war okay.

Die "Verwilderung", die Golding bei den Kindern beschreibt, entspricht ziemlich genau dem Klischee, den der durchschnittliche Brite von einem Zulu hatte. Und genau das ist es, was ich meine, denn das ist die Vorstellung des britischen Imperialismus. Glaubst Du die Briten haben gedacht: "Juppadidei, wir unterdrücken jetzt die Welt, beuten indigene Völker aus und rauben ihre Rohstoffe"? Nein, die hatten natürlich einen missionarischen Gedanke, nämlich: "Wir bringen diesen Menschen, diesen 'Wilden' die Zivilisation, im Zweifelsfall eben auch mit Gewalt". Und genau das schwingt auf den letzten drei Seiten des Herrn der Fliegen durch.

Zitat:
Am Schluss des Buches bringt der Officer die Kindern zurück in die zivilisierte Welt, die er symbolisiert. Er zeigt aber auch, dass Zivilisation nicht immer Gewaltlosigkeit und social freedom heißt, da er ein Maschinengewehr und eine Uniform trägt. Wie Ralph jedoch bewiesen hat, reicht es nicht aus Sanktionen zu verhängen, Verbote aufzustellen, d.h. eine Art Gewaltmonopol zu schaffen, wenn dieses nicht anerkannt ist, wenn die Personen nicht einsehen, warum dieses wichtig ist. Und das ist eben unsere Aufgabe: Durch Bildung Demorkatieakzeptanz zu schaffen und somit dieses System aufrecht zu erhalten.


Wie jetzt? Demokratieakzeptanz durch Bildung oder durch Gewaltmonopol? Wer das Gewaltmonopol hat, bestimmt das System, egal ob Demokratie oder Faschismus, mit dem Gewaltmonopol braucht niemand für die Akzeptanz bei der Bevölkerung zu sorgen, der bleibt gar nichts anderes übrig.


Nach oben
 Profil  
Mit Zitat antworten  
BeitragVerfasst: 28.09.2008 20:39 
Full Member
Full Member
Benutzeravatar

Registriert: 06.05.2003 20:41
Beiträge: 433
Zitat:
Oder ein Machtinsignium, wie ein Zepter.

Mit SIcherheit ist die Conch ein Machtinstrument, aber nicht im Sinne von autoritärer Macht. Auch demokratische Instanzen haben Macht. In diesem Falle dient Sie dazu, Ordnung zu schaffen, Treffen einzuberufen etc. SIe hat also einen nützlichen Zweck und nicht nur eine symbolische Wirkung. Sie sorgt für Ordnung. Eine Pausenklingel in der Schule oder eine Glocke im Theater, um das Ende der Pause anzukündigen würdest du wohl auch kaum als Machtsymbol bezeichnen.


Zitat:
Ja, ähnlich wild, gefährlich und bedrohlich wie in Joseph Conrads Herz der Finsternis, was zeigt, dass das die Ansicht eines Briten über die Kolonialreiche war, eine gefährliche Wildnis. Den Herrn der Fliegen als Gegenentwurf bzw. "Entmythifizierung" zu den paradiesischen Südseebeschreibungen zu verstehen, halte ich für kaum haltbar.


Ballantyne war auch Brite und schrieb Coral Island; eine ganz andere Sicht über eine unbevölkerte Insel. Alles mehr oder weniger krampfhaft auf die britische Kolonialpolitik zu beziehen finde ich sehr fragwürdig.

Zitat:
Und auch die Farben der Revolutionsfahne von 1952 (also kurz vor Erscheinen des Herrn der Fliegen) des ehemaligen britischen Protektorats Ägypten.


Auch die Farben der Volksrepublik Jemen, die noch bis 1967, also nach Erscheinen des Buches unter britischer Kontrolle stand.

Zitat:

Einer der Gründe, weshalb ich der Meinung bin, dass Ralph überhaupt kein demokratisches System einführt. Er lässt sich ganz am Anfang wählen, das ist der einzige demokratische Prozess im ganzen Roman, aber da er da schon die Muschel in der Hand hat, ist das eher ne sehr fragwürdige Wahl. Und die Wahl eines Anführers allein macht auch noch lange keine Demokratie, Stammeshäuptlinge wurden oft gewählt, Piraten wählten ihren Kapitän, eine Demokratie ist beides trotzdem nicht, bei kleinen Gruppen ohne traditionelle Machtansprüche ist eine Wahl eher ein ganz natürlicher Vorgang (oder um deutlich zu machen wie ungenau Golding da konstruiert: ein "wilder" Vorgang, der keiner Ordnung bedarf und somit unzivilisiert ist).


Den Prozess um Ralph als unzivilisiert zu betrachten ist ein Widerspruch mit dessen weiterer Rolle. Ralph wird sicherlich hauotsächlich aufgrund seinen Charismas gewählt (welches Piggy z.B. nicht hat), aber er ist es ja, der ein Regelwerk aufstellt, der durchaus richtige Vorschläge macht und für Ordnung sorgt. Er versucht (im Gegensatz zu Jack) keine Meinung unberücksichtigt zu lassen. Und nur weil nicht über jede Entscheidung abgestimmt wird, heißt es nicht, dass Ralphs Führungsstil keine demokratischen Elemente aufweist. Denn in der BRD ist es ja auch so, dass wird, die Wähler, unsere Macht abgeben an unsere Vertreter, welche dann die ENtscheidungen treffen. Und dies geschieht eben auch bei Lord of The Flies. Im Gegensatz zu Jack setzt sich Ralph nicht selbst als Führungspersönlichkeit ein. Er stellt sogar unmittelbar die Wahl zwischen ihm und Jack, obwohl Jack ja ebenfalls eine autoritäre und charismatische Persönlichkeit ist (auch ohne Muschel).

Zitat:
Ralph lässt sich nicht nur wählen, er gibt sich selbst auch eine herausragende Position und Rechte, er hat mehr Rechte als der Rest, was mit einer Demokratie unvereinbar ist, er ist gewählt und somit vom "Volk" legitimiert, aber es ist keine "Volksherrschaft". Auch da erzeugt Golding eher das Bild einer parlamentarischen Monarchie, also das britische System, das für ihn mit "der Zivilisation" gleichzusetzen ist.


siehe oben. Außerdem spielt es wohl kaum eine Rolle, ob Golding eine parlamentarische Monarchie im Auge hatte oder ein Modell wie es in anderen Teilen der Wlet üblich ist. Entscheidend ist doch, dass hier eine Gegenüberstellung stattfindet. Faschismus, welcher durch Jack repräsentiert wird und Demokratie. Der Leser blickt also auf eine Art Labor in welchem er beobachten kann, wie die freiheitliche Ordnung an Zuspruch verliert und der Faschismus die Führung übernimmt.




Zitat:
Auf keinen Fall!


AUf jeden Fall!


Zitat:
Nicht Demokratie! Zivilisation! Und das ist genau mein Punkt, denn das war ein typisches Erklärungsmodell für das Scheitern des britischen Kolonialismus: wir haben die Vorteile unserer Idee nur nicht ordentlich rübergebracht. Das System selbst war okay.


Vielleicht mag für Golding gelten Demokratie = Zivilisation. Aber ich sehe hier keine parallele zum Kolonialismus. Dieses Buch hätte sicherlich auch ein Franzose oder ein Deutscher schreiben können. Nur weil Golding Brite war, eine Verteidigung der Kolonialherrschaft herbeizureden finde ich übertrieben.

Zitat:
Die "Verwilderung", die Golding bei den Kindern beschreibt, entspricht ziemlich genau dem Klischee, den der durchschnittliche Brite von einem Zulu hatte. Und genau das ist es, was ich meine, denn das ist die Vorstellung des britischen Imperialismus. Glaubst Du die Briten haben gedacht: "Juppadidei, wir unterdrücken jetzt die Welt, beuten indigene Völker aus und rauben ihre Rohstoffe"? Nein, die hatten natürlich einen missionarischen Gedanke, nämlich: "Wir bringen diesen Menschen, diesen 'Wilden' die Zivilisation, im Zweifelsfall eben auch mit Gewalt".



Absolut richtig. Das haben sich die Pilgrims auf dem Amerikanischen Kontinent auch gedacht. Stichwort Manifest Destiny und Spirit if the Frontier.

Zitat:
Und genau das schwingt auf den letzten drei Seiten des Herrn der Fliegen durch.

Nein!

Zitat:
Wie jetzt? Demokratieakzeptanz durch Bildung oder durch Gewaltmonopol? Wer das Gewaltmonopol hat, bestimmt das System, egal ob Demokratie oder Faschismus, mit dem Gewaltmonopol braucht niemand für die Akzeptanz bei der Bevölkerung zu sorgen, der bleibt gar nichts anderes übrig.


Richtig. Aber kein System, keine staatliche Ordnung kann ohne Gewaltmonopol bestehen. Deswegen kann Ralph seine Regeln nicht durchsetzen. Jeder Macht das, was er will, insbesondere Jack. Aber jede Führung muss auch akzeptiert sein. Und Ralph ist nicht akzeptiert, weil er die anderen Kinder von seiner Idee nicht überzeugen kann. Er beansprucht eine Führungsposition und schränkt die Freiheit ein, um Sicherheit zu schaffen, aber die Botschaft kommt nicht an.


Nach oben
 Profil  
Mit Zitat antworten  
BeitragVerfasst: 28.09.2008 21:15 
Administrator
Administrator
Benutzeravatar

Registriert: 09.08.2002 12:53
Beiträge: 11376
Wohnort: Uffbasse-City
Mr_Highriser hat geschrieben:
Zitat:
Oder ein Machtinsignium, wie ein Zepter.

Mit SIcherheit ist die Conch ein Machtinstrument, aber nicht im Sinne von autoritärer Macht. Auch demokratische Instanzen haben Macht. In diesem Falle dient Sie dazu, Ordnung zu schaffen, Treffen einzuberufen etc. SIe hat also einen nützlichen Zweck und nicht nur eine symbolische Wirkung. Sie sorgt für Ordnung. Eine Pausenklingel in der Schule oder eine Glocke im Theater, um das Ende der Pause anzukündigen würdest du wohl auch kaum als Machtsymbol bezeichnen.


Die Muschel dient aber eben nicht nur dem Zusammenrufen, sondern nur wer die Muschel hat, darf reden. Das ist nicht einfach nur ein Gebrauchsgegenstand, um Ordnung zu schaffen, die Muschel ist das zentrale Symbol von Ralphs System, wer die Muschel ignoriert, ignoriert Ralphs System, das wird mehrfach deutlich. Aber - und das ist der Punkt - es gibt eine Ausnahme: Ralph. Ralph legt als Regel fest, dass wer die Muschel hat, reden darf, ohne unterbrochen wird: "Und keiner darf ihn unterbrechen. Nur ich." So steht's im zweiten Kapitel. Ralph stellt also Regeln auf, an die er sich selbst nicht halten muss. Das hat mit Demokratie nichts zu tun, das ist die reinste Monarchie. Ob der Monarch nun ursprünglich gewählt wurde oder nicht, ist dabei vollkommen nebensächlich. Ralph stellt Regeln auf, die für alle außer ihm gelten. Das ist keine Demokratie. Denn nicht das "Volk" ist der Herrscher, sondern Ralph, auch wenn er vom Volk gewählt wurde.

Und eine Zeile später heißt es: "Jack sprang auf. 'Und Vorschriften müssen wir erlassen', rief er erregt, ''ne ganze Masse Vorschriften. Und wenn einer nicht pariert, dann -". Also Regeln, die man durch das Gewaltmonopol durchsetzt. Genau das, was Du Jack gerade absprichst und als Gegenentwurf darstellst. Das ist offensichtlich falsch.

Zitat:
Zitat:
Und auch die Farben der Revolutionsfahne von 1952 (also kurz vor Erscheinen des Herrn der Fliegen) des ehemaligen britischen Protektorats Ägypten.


Auch die Farben der Volksrepublik Jemen, die noch bis 1967, also nach Erscheinen des Buches unter britischer Kontrolle stand.


Eben, und was ich damit zum Ausdruck bringen wollte, ist, dass die Interpretation von dem Farben, die sich Jack ins Gesicht klatscht, als Farben der Reichsfahne vollkommen willkürlich ist.

Zitat:
Den Prozess um Ralph als unzivilisiert zu betrachten ist ein Widerspruch mit dessen weiterer Rolle.


Tja, das solltest Du aber nicht mir vorwerfen, sondern Golding.

Zitat:
Und nur weil nicht über jede Entscheidung abgestimmt wird, heißt es nicht, dass Ralphs Führungsstil keine demokratischen Elemente aufweist.


Es geht doch nicht allein um Abstimmung, sondern darum, dass Ralphs System keine Spur einer "Volksherrschaft" zeigt. Jeder Monarch hat sich geduldig die Meinung seiner Berater angehört, aber Herrscher war der Monarch, nicht die Berater.

Zitat:
Im Gegensatz zu Jack setzt sich Ralph nicht selbst als Führungspersönlichkeit ein.
Er stellt sogar unmittelbar die Wahl zwischen ihm und Jack, obwohl Jack ja ebenfalls eine autoritäre und charismatische Persönlichkeit ist (auch ohne Muschel).


Der aber nicht gewählt wird. Und warum? Keiner kennt Ralph, beide sind - wie Du sagst - charismatisch, was macht bei der Wahl den Unterschied aus zwischen Ralph und Jack aus? Nur die Muschel. "Aber wie Ralph so dasaß, umgab ihn etwas Ruhiges, das ihn aus den andern heraushob; weiter sprach für ihn sein anziehendes Äußere; und hinter ihm stand, zwar unausgesprochen, aber um so wirksamer, die Zauberkraft des Muschelhorns". Und das soll kein Machtsymbol sein?

Zitat:
Vielleicht mag für Golding gelten Demokratie = Zivilisation. Aber ich sehe hier keine parallele zum Kolonialismus. Dieses Buch hätte sicherlich auch ein Franzose oder ein Deutscher schreiben können.


Auch ein Zulu?


Nach oben
 Profil  
Mit Zitat antworten  
BeitragVerfasst: 29.09.2008 08:29 
Platin Member
Platin Member

Registriert: 28.09.2007 08:28
Beiträge: 1076
Ragman hat geschrieben:
Falko hat geschrieben:
James Joyce „Ulysses“ ist anspruchsvoll und interessant, kann also nicht anstrengend sein.


Da wirst Du nicht viele finden, die Dir zustimmen... :wink:


Um Missverständnissen vorzubeugen. Ich "rede" natürlich nicht vom englischen Original, sondern von der Übersetzung von, Moment... H. Wollschläger.
Vielleicht definiere ich hier auch "anstrengend" anders als Du oder @Geronimo.
Interessant ja, anspruchsvoll ja, aber anstrengend ist es für mich eher banales Zeug zu lesen.
Aber da ich es schon mal wieder in der Hand halte, ich es mir nochmals vornehmen. Ist ja auch schon 6-7 Jährchen her. Habe es einmal gelesen, nachdem ich erfahren hatte, das es in Irland einen "James Joyce" Tag gibt, an dem Hunderte mit dem Roman "bewaffnet" durch Dublin auf den Spuren von Leopold Bloom wandeln. Fand ich faszinierend.
Und ich geb' jetzt zu es gar nicht ausgelesen zu haben! Wird schon irgendeine "Dame" dazwischengekommen sein. :oops:


Nach oben
 Profil  
Mit Zitat antworten  
BeitragVerfasst: 29.09.2008 08:52 
Administrator
Administrator
Benutzeravatar

Registriert: 09.08.2002 12:53
Beiträge: 11376
Wohnort: Uffbasse-City
Falko hat geschrieben:
Aber da ich es schon mal wieder in der Hand halte, ich es mir nochmals vornehmen. Ist ja auch schon 6-7 Jährchen her. Habe es einmal gelesen, nachdem ich erfahren hatte, das es in Irland einen "James Joyce" Tag gibt, an dem Hunderte mit dem Roman "bewaffnet" durch Dublin auf den Spuren von Leopold Bloom wandeln. Fand ich faszinierend.


Wie alles in Irland ist das aber eher ein Saufgelage. Auch die meisten Iren haben Ulysses nämlich gar nicht gelesen, zumindest nicht zu Ende.

Zitat:
Und ich geb' jetzt zu es gar nicht ausgelesen zu haben! Wird schon irgendeine "Dame" dazwischengekommen sein. :oops:


Oder war es vielleicht zu... anstrengend? :wink:


Nach oben
 Profil  
Mit Zitat antworten  
BeitragVerfasst: 29.09.2008 09:04 
Platin Member
Platin Member

Registriert: 28.09.2007 08:28
Beiträge: 1076
Ragman hat geschrieben:
Falko hat geschrieben:
Aber da ich es schon mal wieder in der Hand halte, ich es mir nochmals vornehmen. Ist ja auch schon 6-7 Jährchen her. Habe es einmal gelesen, nachdem ich erfahren hatte, das es in Irland einen "James Joyce" Tag gibt, an dem Hunderte mit dem Roman "bewaffnet" durch Dublin auf den Spuren von Leopold Bloom wandeln. Fand ich faszinierend.


Wie alles in Irland ist das aber eher ein Saufgelage. Auch die meisten Iren haben Ulysses nämlich gar nicht gelesen, zumindest nicht zu Ende.

Zitat:
Und ich geb' jetzt zu es gar nicht ausgelesen zu haben! Wird schon irgendeine "Dame" dazwischengekommen sein. :oops:


Oder war es vielleicht zu... anstrengend? :wink:


:wink: Ich (ver)beuge mich. Bei der Vorlage musste die Antwort kommen.
Nein, ich kann gar nicht sagen, warum. War in der Zeit vor meinen Kindern und da bin ich ziemlich oft und tief "abgestürzt". Ich lese es jetzt zu Ende! Dann folgt ein fundierter Kommentar. und komisch, ich freu`mich auf das Buch.
Ähm, die "Buddenbrooks" hab ich zu Ende gelesen!


Nach oben
 Profil  
Mit Zitat antworten  
BeitragVerfasst: 29.09.2008 09:16 
Administrator
Administrator
Benutzeravatar

Registriert: 09.08.2002 12:53
Beiträge: 11376
Wohnort: Uffbasse-City
Falko hat geschrieben:
:wink: Ich (ver)beuge mich. Bei der Vorlage musste die Antwort kommen.
Nein, ich kann gar nicht sagen, warum. War in der Zeit vor meinen Kindern und da bin ich ziemlich oft und tief "abgestürzt". Ich lese es jetzt zu Ende! Dann folgt ein fundierter Kommentar. und komisch, ich freu`mich auf das Buch.


Ist das komisch? Ulysses ist einer der besten literarischen Texte, der je geschrieben wurde, aber es ist einfach so: er ist verflixt anstrengend zu lesen, er packt einen nicht und zieht einen nicht in einen Sog, dass man gar nicht mehr aufhören kann zu lesen. Einfach ausgedrückt: der Text ist nach normalen Kriterien langweilig. Wenn man nur den Text lesen will, ohne sich mit der Metaebene zu beschäftigen, kann ich mir nur schwer vorstellen, dass irgendwer dem Buch etwas abgewinnen kann.

Zitat:
Ähm, die "Buddenbrooks" hab ich zu Ende gelesen!


Ach, die Buddenbrooks musste ich in der 9. Klasse in der Schule lesen, in dem Alter interessiert einen so ein Text schlicht nicht. Überhaupt hat man mir Thomas Mann in der Schule so vermiest, dass ich den eigentlich bis heute noch nicht lesen kann.

Hab auch die Buddenbrooks damals nur teilweise gelesen. Ich weiß noch genau, eine Arbeit hab ich geschrieben, ohne dass ich nur im Ansatz wusste, worum es in dem Kapitel, das Thema war, ging. Ist trotzdem immerhin ne 3 bei rausgekommen. Spricht das nun für mich, der Vorhersehbarkeit des Textes oder der Dummheit meiner Lehrerin? Ich weiß es nicht.


Nach oben
 Profil  
Mit Zitat antworten  
BeitragVerfasst: 29.09.2008 09:36 
Platin Member
Platin Member

Registriert: 28.09.2007 08:28
Beiträge: 1076
Ragman hat geschrieben:
Falko hat geschrieben:
:wink: Ich (ver)beuge mich. Bei der Vorlage musste die Antwort kommen.
Nein, ich kann gar nicht sagen, warum. War in der Zeit vor meinen Kindern und da bin ich ziemlich oft und tief "abgestürzt". Ich lese es jetzt zu Ende! Dann folgt ein fundierter Kommentar. und komisch, ich freu`mich auf das Buch.


Ist das komisch?


Nein, mein Kommentar wird nicht komisch. :wink: Mein Satzzeichen (oben) steht verkehrt. 8)
Wollte sagen, das mein Interesse an Ulysses neu erwacht ist.
Aber vielleicht begreife ich den Ulysses auch gar nicht und hab ihn deshalb zur Seite gelegt. Wäre bei mir auch nicht das erste Mal. Es gibt da so die eine oder andere vermeintlich geniale Lektüre, die sich mir nie erschlossen hat. Ach, ich kann damit leben! :wink:


Nach oben
 Profil  
Mit Zitat antworten  
BeitragVerfasst: 29.09.2008 09:53 
Administrator
Administrator
Benutzeravatar

Registriert: 09.08.2002 12:53
Beiträge: 11376
Wohnort: Uffbasse-City
Falko hat geschrieben:
Aber vielleicht begreife ich den Ulysses auch gar nicht und hab ihn deshalb zur Seite gelegt.


Dann kauf Dir doch die kommentierte Fassung: http://www.amazon.de/Ulysses-Kommentier ... 217&sr=8-5

Ist zwar recht teuer, aber lohnt sich wirklich. Wirklich zu jeder Seite des Romans sind Anmerkungen und weiterführende Erklärungen. Bin sonst kein Freund von Romanausgaben, wo irgendwer mir erzählen will, was der Autor eigentlich damit meint, aber da stehen wirklich unendlich viele erhellende Kommentare drin, die sich unsereins mit dem zeitlichen Abstand und Unkenntnis des Dublins zu Beginn des 20. Jhd. gar nicht mehr erschließen können.


Nach oben
 Profil  
Mit Zitat antworten  
BeitragVerfasst: 29.09.2008 10:39 
Platin Member
Platin Member

Registriert: 28.09.2007 08:28
Beiträge: 1076
Ragman hat geschrieben:
Falko hat geschrieben:
Aber vielleicht begreife ich den Ulysses auch gar nicht und hab ihn deshalb zur Seite gelegt.


Dann kauf Dir doch die kommentierte Fassung: http://www.amazon.de/Ulysses-Kommentier ... 217&sr=8-5

Ist zwar recht teuer, aber lohnt sich wirklich. Wirklich zu jeder Seite des Romans sind Anmerkungen und weiterführende Erklärungen. Bin sonst kein Freund von Romanausgaben, wo irgendwer mir erzählen will, was der Autor eigentlich damit meint, aber da stehen wirklich unendlich viele erhellende Kommentare drin, die sich unsereins mit dem zeitlichen Abstand und Unkenntnis des Dublins zu Beginn des 20. Jhd. gar nicht mehr erschließen können.


Endlich empfiehlst du mal wirklich was, ohne ironischen "Unterton". Die Empfehlung greif ich auf, schaue nur erst bei ebay. Vielleicht geht es da günstiger.


Nach oben
 Profil  
Mit Zitat antworten  
BeitragVerfasst: 29.09.2008 11:00 
Administrator
Administrator
Benutzeravatar

Registriert: 09.08.2002 12:53
Beiträge: 11376
Wohnort: Uffbasse-City
Falko hat geschrieben:
Endlich empfiehlst du mal wirklich was, ohne ironischen "Unterton".


Ironie ist ein Fremdwort für mich.


Nach oben
 Profil  
Mit Zitat antworten  
BeitragVerfasst: 29.09.2008 11:16 
Full Member
Full Member
Benutzeravatar

Registriert: 06.05.2003 20:41
Beiträge: 433
Ragman hat geschrieben:
Mr_Highriser hat geschrieben:
Zitat:
Oder ein Machtinsignium, wie ein Zepter.

Mit SIcherheit ist die Conch ein Machtinstrument, aber nicht im Sinne von autoritärer Macht. Auch demokratische Instanzen haben Macht. In diesem Falle dient Sie dazu, Ordnung zu schaffen, Treffen einzuberufen etc. SIe hat also einen nützlichen Zweck und nicht nur eine symbolische Wirkung. Sie sorgt für Ordnung. Eine Pausenklingel in der Schule oder eine Glocke im Theater, um das Ende der Pause anzukündigen würdest du wohl auch kaum als Machtsymbol bezeichnen.


Die Muschel dient aber eben nicht nur dem Zusammenrufen, sondern nur wer die Muschel hat, darf reden. Das ist nicht einfach nur ein Gebrauchsgegenstand, um Ordnung zu schaffen, die Muschel ist das zentrale Symbol von Ralphs System, wer die Muschel ignoriert, ignoriert Ralphs System, das wird mehrfach deutlich. Aber - und das ist der Punkt - es gibt eine Ausnahme: Ralph. Ralph legt als Regel fest, dass wer die Muschel hat, reden darf, ohne unterbrochen wird: "Und keiner darf ihn unterbrechen. Nur ich." So steht's im zweiten Kapitel. Ralph stellt also Regeln auf, an die er sich selbst nicht halten muss. Das hat mit Demokratie nichts zu tun, das ist die reinste Monarchie. Ob der Monarch nun ursprünglich gewählt wurde oder nicht, ist dabei vollkommen nebensächlich. Ralph stellt Regeln auf, die für alle außer ihm gelten. Das ist keine Demokratie. Denn nicht das "Volk" ist der Herrscher, sondern Ralph, auch wenn er vom Volk gewählt wurde.

Und eine Zeile später heißt es: "Jack sprang auf. 'Und Vorschriften müssen wir erlassen', rief er erregt, ''ne ganze Masse Vorschriften. Und wenn einer nicht pariert, dann -". Also Regeln, die man durch das Gewaltmonopol durchsetzt. Genau das, was Du Jack gerade absprichst und als Gegenentwurf darstellst. Das ist offensichtlich falsch.

Zitat:
Zitat:
Und auch die Farben der Revolutionsfahne von 1952 (also kurz vor Erscheinen des Herrn der Fliegen) des ehemaligen britischen Protektorats Ägypten.


Auch die Farben der Volksrepublik Jemen, die noch bis 1967, also nach Erscheinen des Buches unter britischer Kontrolle stand.


Eben, und was ich damit zum Ausdruck bringen wollte, ist, dass die Interpretation von dem Farben, die sich Jack ins Gesicht klatscht, als Farben der Reichsfahne vollkommen willkürlich ist.

Zitat:
Den Prozess um Ralph als unzivilisiert zu betrachten ist ein Widerspruch mit dessen weiterer Rolle.


Tja, das solltest Du aber nicht mir vorwerfen, sondern Golding.

Zitat:
Und nur weil nicht über jede Entscheidung abgestimmt wird, heißt es nicht, dass Ralphs Führungsstil keine demokratischen Elemente aufweist.


Es geht doch nicht allein um Abstimmung, sondern darum, dass Ralphs System keine Spur einer "Volksherrschaft" zeigt. Jeder Monarch hat sich geduldig die Meinung seiner Berater angehört, aber Herrscher war der Monarch, nicht die Berater.

Zitat:
Im Gegensatz zu Jack setzt sich Ralph nicht selbst als Führungspersönlichkeit ein.
Er stellt sogar unmittelbar die Wahl zwischen ihm und Jack, obwohl Jack ja ebenfalls eine autoritäre und charismatische Persönlichkeit ist (auch ohne Muschel).


Der aber nicht gewählt wird. Und warum? Keiner kennt Ralph, beide sind - wie Du sagst - charismatisch, was macht bei der Wahl den Unterschied aus zwischen Ralph und Jack aus? Nur die Muschel. "Aber wie Ralph so dasaß, umgab ihn etwas Ruhiges, das ihn aus den andern heraushob; weiter sprach für ihn sein anziehendes Äußere; und hinter ihm stand, zwar unausgesprochen, aber um so wirksamer, die Zauberkraft des Muschelhorns". Und das soll kein Machtsymbol sein?

Zitat:
Vielleicht mag für Golding gelten Demokratie = Zivilisation. Aber ich sehe hier keine parallele zum Kolonialismus. Dieses Buch hätte sicherlich auch ein Franzose oder ein Deutscher schreiben können.


Auch ein Zulu?


Du beschränkst die Wildnis und Bedrohlichkeit in deiner Interpretation auf die unbevölkerte Insel. Also ein Gebiet welches noch nicht von den Briten besiedelt oder unter deren Konrolle steht und deshalb unzivilisiert und wild sei. Aber das Buch ist nicht so angelegt, dass nur die Natur, nur die unzivilisierte Insel außerhalb der britischen Hemisphäre als wild und grausam angesehen wird, sondern der Mensch an sich. Die Kinder (allesamt britisch) sind ja keineswegs alle zivilisiert und streben nach Ordnung und konstitutioneller Monarchie. Das beste Beispiel ist Jack (oder auch Roger). Jack als britisches Kind verkörpert die bedrohliche und gewaltbereite Natur des Menschen. Und ein Schlüsselsatz im Buch kommt von Simon (soweit ich mich erinnern kann). Denn er sagt in Bezug auf das "Beast" vor welchem alle Kinder Angst haben, dass das wahre Beast kein Tier sei, sondern dass er Menschen sieht, wenn er an das Beast denkt. Und auf den letzten Seiten wird deutlich, dass diese Gewalt, die vom Menschen ausgeht auch in gefestigten System existiert (auch in einer Demokratie wie in Großbritannien). Deswegen gibt es den Officer, deswegen trägt er Waffen bei sich. Die zu nächst weit erntfernte Handlung auf der Insel wird also in Verbindung gebracht mit unserem Alltag. Es wird gezeigt: Nicht nur auf der Insel gibt es Gewalt, Faschismus, streben Freiheit und Gesetzte zu verletzten, sondern es ist ganz alltäglich und wenn dieses Bestreben zu weit geht (wie auf der Insel) wird die demokratische Ordnung gestürzt.

Warum wird sie gestürzt? Weil die demokratischen Führer (in diesem Falle Ralph) schwach sind und Fehler begehen. Ralph missbraucht die Muschel sicherlich, auch ist es natürlich kein demokratischer Akt zu sagen: Ihr müsst das machen, weil ich es sage! Die Grundidee ist also eine demokratische (Es gibt ein Instrument, welches Ordnung schafft, es gibt wahlen, jede Stimme wird gehört, jeder darf seine Interessen artikulieren,...) aber es mangelt eben in der Durchsetzung, aufgrund von Ralphs Schwäche. Es ist also die Aufgabe von Ralph die anderen zu überzeugen, warum sein System gut ist und warum es für jeden von Vorteil ist. Doch dies gelingt ihm nicht. Und das ist die Stunde von Jack.

Übrigens: Auch die Bundeskanzlerin hat ein freies und kein imperatives Mandat. Nur weil Ralph die Entscheidungen trifft ist er kein Absolut. Ich glaube, dass dies auch gar nicht das Entscheidende ist. Es geht einfach darum zu beobachten warum ein System (sei es Demokratie oder konstitutionalle Monarchie oder eine Republik) in dem die Personen Freiheiten haben, in dem keiner als Feindbild unterdrückt wird, in dem nach rationalen Lösungen (z.B. Feuern machen) gesucht wird, nicht bestehen kann, sondern der Faschismus siegt.

Und wie ich oben erläutert habe, ist der Faschismus keine ausgeburt des Zulu oder der unzivilisierten Insel, sondern des Briten Jack.


Nach oben
 Profil  
Mit Zitat antworten  
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:  Sortiere nach  
Ein neues Thema erstellen Auf das Thema antworten  [ 407 Beiträge ]  Gehe zu Seite Vorherige  1, 2, 3, 4, 5, 6, 7 ... 28  Nächste

Alle Zeiten sind UTC + 1 Stunde [ Sommerzeit ]


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 7 Gäste


Du darfst keine neuen Themen in diesem Forum erstellen.
Du darfst keine Antworten zu Themen in diesem Forum erstellen.
Du darfst deine Beiträge in diesem Forum nicht ändern.
Du darfst deine Beiträge in diesem Forum nicht löschen.

Powered by phpBB® Forum Software © phpBB Group
Deutsche Übersetzung durch phpBB.de